Samstag, 26. April 2008

Geist im Sinn

Rittelmeyer sagt folgendes: Das Nervensystem ist das Organ des Geistes. Das Zentrale Nervensystem ist praktisch das Zentrum und die Sinnesorgane zwar peripher, aber dennoch nicht weniger Geist. Die Tätigkeit der Sinne ist von Anfang an auch geistig. Sinnesorgane sind Organe des urteilenden Denkens selber. Bildung der Sinnesorgane bedeutet Bildung von Erkenntnisorganen.

Die Forschungsergebnisse des italienischen Mediziners und Psychologen Vezio Ruggieri bestätigen, dass sich die Arbeit des Geistes am gesamten Leib offenbart. So vollziehen die Augen nach, was der Mensch sich nur vorstellt. Die Imagination eines weit entfernten Gegenstandes zieht vergleichbare Anpassungsleistungen des Auges nach sich wie der tatsächliche Blick auf einen weit entfernten Gegenstand. Gleiches gilt für die Imagination eines Gegenstandes in der Nähe und der tatsächlichen Ansicht eines nahen Gegenstandes.

Rittelmeyer, Christian (2002) Pädagogische Anthropologie des Leibes. Biologische Voraussetzungen der Erziehung und Bildung. München.

Freitag, 4. April 2008

Erdkrötenhochzeit

Die Fotografie unten zeigt ein Erdkrötenpaar am 2.April. Sie paaren sich also nicht nur zum Scherz. Zum Hochzeit halten sind Mann und Frau extra aus den Überwinterungsquartieren im Wald an ihren Geburtsort zurückgekehrt (hier: der Teufelssee in den Ravensbergen südwestlich von Potsdam). Zum Heiraten klettert der viel kleinere Mann auf die braune Erdkrötenfrau. Zusammen sehen sie von oben fast aus wie eins. Beim Aufeinanderhocken reifen die Eier im Leib der Erdkröte. Huckepack nimmt sie ihren Mann mit in den See, wo die Eier als Laichschnur abgelegt und vom Mann befruchtet werden. Bis zum Mai gibt es auf jeden Fall viele schwarze Kaulquappen.

Donnerstag, 3. April 2008



Erdkrötenhochzeit Anfang April

Dienstag, 1. April 2008

Lernen in der Urmatrix

Der Titel ist absichtlich fehlgeschlagen, aber vielleicht stellt sich am Ende heraus, dass er doch stimmt.

Alles, was ich lerne, was ich wirklich lerne - nicht alles, was ich gelehrt bekomme - binde ich an bereits gemachte Erfahrungen. Klar, aber: von allen Erfahrungen, die wir in unserem Leben bereits gemacht haben, gibt es ganz besondere, nämlich die allerersten Erfahrungen überhaupt, nachdem Ei- und Samenzelle verschmolzen sind. Man könnte einwenden, vor der Befruchtung gibt es auch schon Erfahrung, die jahrtausende alte Erfahrung der Gattung Mensch, die jede Zelle in ihrem Kern genetisch gespeichert hat. Aber um genetische Information soll es hier nicht gehen. Primärerfahrungen werden hier die Erfahrungen genannt, die der Mensch mit Beginn des Embryostadiums bis zu seiner Geburt macht. Primärerfahrungen bleiben lebenslang subjektiv von Bedeutung. Sie spielen unter anderem eine Rolle für unser Lernverhalten. Aus Primärerfahrungen bilden sich sensorische und psychische Grundmuster heraus, sogenannte Urmatrizen.

Primärerfahrungen wurden gemacht in einem weitgehend idealen Milieu. Der Mutterleib ist ein geschützter Raum, er bietet Stimulation (Bewegung, Organgeräusche, rhythmische Geräusche, Stimmgeräusche, andere Geräusche außerhalb des Mutterleibes, Berührung, Licht, Farbe), der wachsende Mensch erhält Eindrücke von sich selbst bzw. nimmt sich selbst wahr (Eigenstimulation) und im Mutterleib gibt es immer Nahrung und Sauerstoff über das Blut. Außerhalb des Mutterleibes sucht der Mensch Erfahrungen, die an seine bisher gemachten Erfahrungen anknüpfen. Er sucht, über die neuen Eindrücke eine Brücke herzustellen zu seinem intrauterinen Leben. Die Eindrücke im Mutterleib haben den Menschen geprägt. Der Mensch hat sie als sinnvoll erfahren. Und er weiß allen nachfolgenden Eindrücken basierend auf seiner vorgeburtlichen Erfahrung einen Sinn zu geben.

Die vorgeburtlichen Eindrücke sind von Embryo zu Embryo, also von Mensch zu Mensch, so verschieden nicht. Viele Menschen reagieren mit Genuss auf Berührungen am Rücken. Eine Berührung, die jeder vor seiner Geburt erfahren hat. Bereits vor der Geburt hat ein Mensch Geräuschqualitäten unterschieden. Rhythmische Geräusche von unregelmäßigen, bedeutsame von unbedeutsamen, zum Beispiel.

Ribke, Juliane (1995) Elementare Musikpädagogik. Regensburg

Entwicklung

Ich setze mich fortdauernd mit Juliane Ribkes Konzept einer Elementaren Musikpädagogik auseinander. Beeindruckt hat mich der erste Teil des Buches, wo es um die Entwicklung des Menschen geht.

Entwicklung hat weniger ein Ziel, sondern vielmehr einen Sinn. Das ist es, denke ich, was die Autorin mitteilen will, wenn sie bei den Entwicklungsprinzipien darauf abhebt, dass leicht der Eindruck entstehen könne, Entwicklung sei aufwärtsstrebend oder Entwicklung bringe immer eine Steigerung. Von den Entwicklungsprinzipien Wachstum, Periodizität, Auf- und Abbau und Differenzierung und Integration scheint das vierte Prinzip mir das wichtigste, das interessanteste, als ich es mir bewusst machte. Natürlich wirken die Entwicklungsprinzipien in- und miteinander bzw. gehen Entwicklungsprinzipien in einem zugrundeliegenden Prinzip auf. Aber das Prinzip von Differenzierung und Integration war mir neu. Und doch vertraut. Es leuchtete mir sofort ein.

Am Anfang war ich eine Zelle. Und dann teilte ich mich. Dennoch blieb ich eins. Ich differenzierte mich, ich setzte mich auseinander, bekam Hände und Füße. Ich kann greifen und gleichzeitig gehen, ohne auseinanderzufallen. Mein Gehirn funktioniert besser als mein Computer (ein Glück!) Und nur mal ein grobes Beispiel: Ich kann Vergangenheit und Zukunft denken und die Gegenwart als mir gerade gegenwärtig erleben, ohne verrückt zu werden.

Ribke, Juliane (1995) Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept. Regensburg. (Kapitel 3)