Donnerstag, 24. Juni 2010

Lärmbelästigung

Frau Sumpffuss,
eigentlich wollten wir an dieser Stelle einen Veranstaltungshinweis posten, Musizieren im Wald, Sonntag, 27. Juni, Treffpunkt 14:00 Uhr am Waldeingang. Aber das ist nun passé.

Sumpffuss: Ja, denn das Musizieren in einem Landschaftschutzgebiet könnte eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 gemäß § 74 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes darstellen und kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Deutsche Mark geahndet werden. Ich kann nicht im Vorraus sagen, ob ich dieses Geld werde aufbringen können. Da noch nicht klar ist, ob die D-Mark wieder eingeführt wird.













Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Potsdamer Wald- und Havelseengebiet“



Sind Sie denn damit einverstanden, dass Musik im Wald eine Lärmbelästigung darstellt?

Sumpffuss: Ja, aber sicher. Sie können damit rechnen, dass ich das nicht ironisch meine.

Obwohl es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass das Forstamt derzeit, zur Brutzeit! eine Harvester in das Landschaftsschutzgebiet schickt.

Sumpffuss: Das ist keine Ironie, das ist tragisch. Harvester ist in diesem Fall die englische Bezeichnung für forstwirtschaftliche Vollernter. Die Maschine fällt einen Baum von 1 Meter 50 Umfang in sieben Sekunden und sägt ihn gleich darauf in transportgerechte Stücke.











Harvester im Landschaftsschutzgebiet Anfang Juni





Und Musik kann ebenso als Lärm empfunden werden?


Sumpffuss: Ja, klar. Wer will denn für einen anderen entscheiden, was der als störend empfindet. Lärm ist nicht automatischl gleichbedeutend mit Störung, aber ich gehe in diesem Fall - menschengemachter Lärm im Wald - erstmal davon aus.




Machen Tiere auch Lärm?

Sumpffuss: Sie können sehr laut sein. Der Ruf eines Kranichs ist noch über eine Entfernung von 2km zu hören. Der Kuckucksruf trägt weit. Lärm ist das für mich nicht. Das wäre es, wenn drei Kuckucke geichzeitig und vollkommen durcheinander rufen würden oder drei Amseln auf dem selben Ast singen. Den Vogelgesang am Morgen bestreiten sehr viele Vögel gleichzeitig. Nur sitzen sie nicht alle in einer Reihe vor meinem Fenster. Ein Vogel ist ganz nah, der Nächste weiter entfernt. Das ist etwas, das ich beim Musikmachen im Wald, am Waldsee oder auf der Lichtung nachahmen würde. Die Musiker verteilen sich im Raum. Sie schaffen Abstand zwischen sich; sie verteilen sich zum Beispiel um den See und musizieren von gegenüberliegenden Ufern aus. Zum Zweiten beziehen sie sich aufeinander.
Etwas anderes sind zum Beispiel Insektengeräusche. Grashüpfer zirpen zu Hunderten gemeinsam und am Abend wird das zu einem Dauergeräusch. Daher nehme ich die Idee, dass wir Musikerinnen auch nebeneinander miteinander das Gleiche spielen können, nur eben jede ganz leise. Wir erzeugen miteinander ein Geräusch.


Oh, Sie wollen also gar nicht Mozart oder Haydn spielen?

Sumpffuss: Nein. Ich würde mich gerne einpassen in die Landschaft aus Tönen und Geräuschen, die schon da ist. Ich würde gerne ausprobieren, da mitzuwirken. Ohne störend zu wirken. Wenn ich mir jetzt ein Musikstück vornehme, dann mag es in dem einen Moment passen und im nächsten wieder nicht. Doch auf den nächsten Moment kann ich keine Rücksicht nehmen, wenn ich das Musikstück zu Ende bringen will. Hierbei ist interessant, dass Singvögel mit einem ausgeprägten, komplexen Gesang weniger gesellig sind. Der Haussperling singt recht einfach und ist verträglicher mit seinen Artgenossen als beispielsweise die gesangsbegabte Amsel, die sich stark revierbildend verhält.


Konzertsaal

Geht es um die Einfachheit?

Sumpffuss: Ich setze nicht Kunst gegen Einfachheit. Es geht um Improvisation und die findet im Wald zu bestimmten Bedingungen statt. Eine Bedingung sind die anderen Tiere um uns herum, und die will ich nicht erschrecken. Die Natur ist eine wunderschöne Bedingung dazu. Mit ihren Erscheinungen liefert sie uns die Partitur.

Hat das nicht etwas von "zurück zu den Wurzeln"?

Sumpffuss: Das haben Sie gesagt. Es liegt mir fern, dem Musizieren im Wald eine Ursprünglichkeit zuzuschreiben und der komponierten Musik damit etwas abzusprechen. Indem ich die Idee des Musikspielens im Wald in Gedanken weiter entwickelte, beschäftigte ich mich natürlich mit elementaren Dingen der Musik und des Musizierens. Das Elementare aber ist Grundstein aller Musik. Es ist nicht von unterschiedlicher Natur, ob ich nun mitten im Wald sitze oder daheim vorm Klavier.

Nun haben Sie ja im Wald gar kein Klavier.

Sumpffuss: Ich bin mir fast sicher, dass ich im Wald nicht Klavier spielen wollen würde. Den Klang eines Xylophons würde ich gegenüber dem metallischen Klingen eines Glockenspiels bevorzugen. Am ehesten stelle ich mir Flöten vor, insbesondere Obertonflöten, die miteinander harmonieren, und Percussionsinstrumente.

Wie ist das nun? Wird es eine Veranstaltung geben?

Sumpffuss: Das hängt ganz davon ab. Im Übrigen kann ich an einer Veranstaltung im Freien gar nicht teilnehmen, weil ich nur im Netz existiere. Wer außerhalb seines Bildschirms lebt, hat es da schon leichter. Nun gut.


"Der Konzertsee ist gleichzeitig die Partitur."

Montag, 7. Juni 2010

Spielanlässe

Spielanlässe gibt es viele.

Oft höre oder lese ich, dass Erwachsene nicht so vie Lust auf Spiele haben, die ihre Kinder spielen: Rollenspiele, Bausteine türmen, Puppenstube. Sie machen das dann auch mal der Kinder wegen, aber eigentlich geht es ihnen dabei nicht so gut, sie finden das Spiel gezwungen, es ist dann für sie, die Erwachsenen, kein Spiel mehr.
Ich meine, dass der Mangel an Lust auf bestimmte Spiele kein Problem sein muss. Es gibt im Alltag genug Spielanlässe, so dass die erwachsenen potentiellen Spielpartner bestimmt ein Spiel darunter entdecken würden, das ihnen spontan zusagt. Ganz ohne den Druck, sich doch wenigstens für ein Spiel zu entscheiden. Nicht irgendjemandem zuliebe. Einfach für den eigenen Spaß.

Spielanlässe wahrnehmen

Spielanlässe wahrzunehmen bedeutet zweierlei. Die erste Bedeutung ist das Gewahrwerden. Wahrnehmen, was ist. Eventuelle Gedanken, "ich müsste, ich sollte mehr mit meinem Kind spielen", werden auf diese Weise auch einfach wahrgenommen, beobachtet und dürfen weiterziehen. Mit einer neuen Aufmerksamkeit nehme ich bewusst die Impulse meines Kindes wahr, die es setzt, um mich in ein Spiel zu ziehen. Über die eindeutigen Aufforderungen und Bitten zu spielen hinaus gibt es sehr viele unaufdringlichere Impulse, mich zu einem Spiel einzuladen. Manche so unaufdringlich, dass sie gar nicht in mein Bewusstsein vordringen. Ich verpasse die Gelegenheit, mich für ein Spiel zu entscheiden, weil ich das Verhalten des Kindes gar nicht als Spielanlass wahrnehme (wahrnehmen im Sinne von bewusstem Erkennen).
Den Spielanlass wahrnehmen im zweiten Sinn heißt, ihn aufzugreifen. Dem Impuls des Kindes zu folgen und das Spiel aufzunehmen.

Wie bei der deutlichen Aufforderung, mitzuspielen, habe ich auch bei anderen Spielanlässen die Wahl zu spielen oder nicht. Indem ich mich den Signalen des Kindes in bezug auf Spielen mehr geöffnet habe, empfange ich nicht nur mehr solcher Signale, sondern entdecke darunter auch für mich Gelegenheiten zu spielen. Auf diese Weise spielen mein Kind und ich wieder öfter mit einander.