Samstag, 20. September 2008

Selbstbestimmt lernen

Das geht nicht gut?
Aber das tust du doch sowieso. Jeder Mensch lernt nur das, was er will.
Ach, deine Lehrer haben dir gesagt, was du lernen sollst? Und? Hast du gelernt, was sie dir zu lernen aufgaben?
Klar, du hast Rechentürmchen schnell mal gelöst, um danach freie Zeit ohne Rechenaufgaben zu genießen. Du hast die Daten von geschichtlichen Ereignissen gelernt, um nach der nächsten Geschichtsarbeit nicht mehr dran denken zu müssen.
Für Geographie und englische Vokabeln aber, hast du dich wirklich interessiert?
Ja, aber dazu musstest du Stunden mit gelangweilten Mitschülern zusammensitzen. Du wohntest den Schimpftiraden der Lehrerin bei, die sich über mangelndes Vokabelwissen einiger Schüler ärgerte. Du wolltest mehr über Bauxit erfahren, hattest extra die Hand hochgereckt, aber dann klingelte es zum Stundenende und eigentlich warst du doch ganz froh, dass wieder eine Stunde vorbei war. In der nächsten Vokabelarbeit die nächste gute Note und beim Zeigen an der topographischen Karte volle Punktzahl. Aber nur dafür hast du letztendlich gelernt: für die Schule. Im Leben lernst du, was du brauchst. Wo hast du die ganze Zeit gelebt? In der Schule.
Du hast die ganze Zeit gelernt, was du wolltest. Du wolltest die Schule schnell hinter dich bringen und dabei gut bestehen. Also hast du gelernt, wie du die Schulaufgaben schnell und ohne viel Aufwand abarbeitest, welche Maßstäbe die Schule an dich hält und wie du den Schulanforderungen Genüge tust. Du hast das Verhalten der Lehrer studiert, welche Schüler sie runterputzen, welches Verhalten sie rügen. Du fühlst dich am Ende gar gerüstet, selber Lehrer zu werden, denn du kennst dich mit dem Lehrerberuf bestens aus. Ihr habt Noten und Punktzahlen in den Klassenarbeiten untereinander verglichen. Ihr habt gemeinsam die Grechtigkeit der Notengebung angezweifelt. Ja, selbst über Notengebung hast du was gelernt, obwohl das als Schüler nicht deine Aufgabe ist.
Du hast etwas über deinen Schlaf-Wachrhythmus gelernt. Das frühe Aufstehen war die verhasst und du wusstest, dass am Wochenende keiner vor elf an deine Zimmertür klopfen braucht. Allerdingst scheinst du auch gelernt zu haben, dass es in Ordnung war, dich für die Schule immer so früh aus dem Bett zu zwingen, denn deine Kinder zwingst du jetzt auch mit den Worten, dass das Leben kein Zuckerschlecken sei und sie das lieber früher als später lernen sollten.
Du hast Comic-Zeichnen gelernt. Allerdings im Politikunterricht - du hattest nämlich auch gelernt, dass die Politiklehrerin dir nicht auf die Finger schaut. Also hast du in dieser Stunde gemalt.
Du hast gelernt, mit welcher Ausrede du um den Sportunterricht rum kommst und wie man sich ungesehen auf einem Gameboy unter der Schulbank in den höchsten Level spielt. Du hast gelernt, über Mittag ohne Essen auszuhalten, weil Schulspeisung das Letzte ist. Ach ja, und du hast gelernt, den unangenehmen Schülern, die immer nur Kloppe wollen, aus dem Weg zu gehen, oder dich auf ihre Seite zu schlagen.
So viel mehr noch hast du gelernt, dass ich es gar nicht fassen kann. Dazu bräuchte es schon ein kleines bisschen Speicherplatz im WorldWideWeb.
Die Schule ist ein richtiges kleines Universum für sich.
Dass du dein Schülerleben so nicht weiterführen kannst, sagen dir deine Gesprächspartner dann auch bei deinem ersten Bewerbungsgespräch.
Komm erstmal an im richtigen Leben.
Immerhin, den Trott kennst du ja schon.

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