Es war einmal ein Kind.
Es gibt einen Ort, an dem sind die Bilder aus nunmehr 67 Jahren. 67 Jahre wechselten sich Winter und Frühling, Frühling und Sommer, Sommer und Herbst, Herbst und Winter ab.
Es war einmal ein Kind, das ging in einen fensterlosen Raum. Der Raum hatte Wände und Fußboden und Decke mit elektrisch Licht. In der Mitte standen Farbtöpfe auf einem langen, schmalen Tisch und es lagen Pinsel, viele Pinsel, deren Spitzen schon Farbe hatten, ein jeder Pinsel die Farbe des Farbtopfes, in dessen Nähe er lag. Die Wände des Raumes waren mit Papier bespannt und das Papier war bunt von allen Farben. Das Kind fand in dem Raum einen freundlichen Mann, von dem ließ es sich ein leeres Blatt an die Wand heften, währendessen suchte es sich eine Farbe aus. Die Pinsel waren alle recht groß und wie die Spitze des Fuchsschwanzes geformt. Sie verrieten, zu welcher Farbe sie gehörten, es war nicht nötig, sie auszuwaschen.
Es gibt einen Mann, der hütet einen Ort, an dem er seit nunmehr 67 Jahren Bilder sammelt. 67 Jahre, ich habe mir das ausgerechnet von der Jahreszahl 1946 an.
Es war einmal ein Kind in einem Raum ohne Fenster, das durch ein Fenster sah, welches in ihm offenstand, hinaus zu sehen. Das Kind malte, was vor dem Fenster auftauchte. Es malte, worin es eintauchte, worin es schwamm oder flog. Dabei flogen die Farben von den Pinseln, mit denen das Kind malte, auch über das Blatt hinaus auf die bunten Wände.
Es gibt einen Raum, an dessen Wänden wechseln sich die Farben ab und die Kinder, seit Jahren ist das schon so, und ein freundlicher Mann hält diesen Raum offen und die Farben in den Farbtöpfen feucht und legt immer genug Pinsel bereit.
Es war einmal ein Kind, das ließ ein Bild zurück an der Wand, an der es gemalt worden war. Eine bunte Wand, an der viele Farben von unzähligen gemalten Bildern zeugten. Ein Mann, der zum Raum gehörte wie die Farben und Pinsel auch, der nahm das Bild von der Wand. Das Kind war schon aus dem Raum hinaus, er hatte versprochen, das Bild für es zu bewahren. Da kam das Kind noch einmal in den Eingang zum Raum und verabschiedete sich von dem Mann.
Es gibt Bilder, unendlich viele. Manche von ihnen werden gemalt, das sind sehr viele. Bilder haben Kraft. Es gibt Bilder, die werden gemalt und geben ihrer Malerin vielmal soviel Kraft, als wären sie nicht gemalt worden. Es gibt andere Bilder, die lassen den Maler zurück mit einer Kraft, die anders als durchs Gemaltwerden schwerlich frei geworden wäre.
Es war einmal ein Kind, das kam aus einem fensterlosen Raum, und es würde sich bald wieder in jenen Raum begeben und aus dem Fenster schauen.
Quellen der Inspiration:
Der Film Alphabet (2013) Regie Erwin Wagenhofer
Der Malort von Arno Stern.
Der Malort Mitte in Berlin Mitte.
Sonntag, 27. Oktober 2013
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