Samstag, 16. Februar 2013

Sonnentaler (II)

Die Sonne bildet sich ohne Absicht auf der Erde ab. Im Sommer, denn da haben die Bäume noch dichtes Haar. Ich wünsche mir nur einen einzigen Sommertag. Morgen, wenn ich die Augen öffne. Sonnentaler zu finden unter den Baumkronen. Zitat aus einem unveröffentlichten Beitrag

Das Licht einzufangen habe ich mich aufgemacht. Es braucht ein winziges Loch in einer schwarzen Schachtel und ein bisschen billigen Film. Ich habe die Bastelanleitung von Aileen Wessely befolgt: Weltweiter Tag der Lochkamerafotografie Aileen Wessely ist Redakteurin von kwerfeldein.de, dem einzigen online-Magazin für Fotografie, bei dem ich bis jetzt hängen geblieben bin. Wessely beschreibt sehr genau, wie man aus einer Streichholzschachtel eine Analoge Kamera bauen kann. Was mich verblüfft hat: Streichholzschachtel und Kleinbildfilm sind wie füreinander gemacht. Die Maße einer Schachtel betragen Länge mal Höhe mal Tiefe 5 cm × 3,5 cm × 1,5 cm. Die Höhe passt zur Filmbreite eines Kleinbildfilms. Die Tiefe bedeutet, dass zwischen Loch und Film 1,5 cm liegen. Dieser (geringe) Abstand macht aus, dass die Kamera das Licht aus einem weiten Winkel auf den Film bannen kann.

Die Bastelei dauerte ihre Zeit und brauchte meinen festen Glauben an die Theorie und daran, dass es auch mir es gelingen würde. Dass auch ich ein Lichtfänger sein könnte. Die Kamera muss bis auf ein einziges Loch lichtdicht sein. Eigentlich wird das Licht mehr ausgesperrt als eingeladen. Und das Loch, durch das es dringen darf, muss wirklich winzig sein. Dieses unfassbare Licht soll sich konkretisieren. Ich will Rot und Grün und Blau auf meinem Film sehen, und Linien, farbige Gegenstände eben.


So sieht meine Kamera aus.

Sie ist noch zu leicht und so fehlt es ihr an Standfestigkeit. Das ist ein Problem beim Lichtfangen.

Und dann.

Das Licht braucht Zeit. Es geht nicht darum, Unmengen von Licht zu fangen. Eine ganz bestimmte Menge muss es sein, nicht zu viel, aber wenigstens so viel, jedoch nicht mehr und nicht weniger. Der erste Versuch schlug fehl.

Er zeigte mir zumindest, an welchen Stellen die Kamera noch nicht lichtdicht war. Die minimale Durchlässigkeit an den Seiten rechts und links des Schachtelgehäuses, wo die Filmpatronen ansetzen, wäre aber kein Hindernis für gute Bilder gewesen. Problem: Durch das Loch war kein Licht auf das Filmmaterial gelangt. Es verbleiben ein leeres Filmband (entwickelt und ungeschnitten) und eindrucksvolle Bilder in meiner Erinnerung - sekundenlange Momente vor dem See und blauschwarzem Dezemberhimmel, Boote ruhen und Bäume, es will bald regnen statt schneien und die Sonne drängt sich zu gleicher Zeit hinaus.

Für den zweiten Versuch piekste ich das Loch nochmal ein bisschen - ich piekste das schon vorhandene Loch, aber ich stach nicht durch. Ich prüfte mit der Taschenlampe - das Muster der LED-Pünktchen bildete sich auf der Hinterwand der Schachtel ab. Beim zweiten Versuch wählte ich die Belichtungszeiten großzügig und notierte für jedes Bild den Ort, die Zeit, die Lichtverhältnisse und die Belichtungszeit, wie das moderne Digitalkameras auch können. Die Blende blieb ja immer die selbe - das Loch.


Wir sind mit einem Regionalzug in den Berliner Hauptbahnhof eingefahren. Für die Zeit seines Haltes öffne ich die Blende. Es ist ein Foto durch die Scheibe. Lampenlicht im Zug und bedeckter Himmel über der Glaskuppel des Bahnhofs. Die Stoppuhr misst 55 Sekunden, dann die Blende schließen, denn in der nächsten Sekunde ruckt der Zug schon an zur Weiterfahrt.


Lampenlicht statt Sonnenlicht.

Beim Bild vom Bär wartete ich 7 lange Minuten, ehe ich die Blende schloss. Dem Kind, das seinen Freund fotografiert haben wollte, war das zu lang. Es vergaß inzwischen, dass die Lichtbildaufnahme noch lief, und tanzte durchs Bild. Seine Spur hat es an der Stehlampe hinterlassen. Die ist stärker verwackelt als der Rest des Bildes.

Beim 13. Bild meines Films habe ich mit 3 Minuten zu viel Licht in die Schachtel gelassen. Vor den Fenstern war ein eher dunkler Tag mit bedecktem Himmel.


Die Aufnahmen bei Sonnenwetter kann ich gar nicht zeigen. Nach 7 Sekunden Belichtungszeit ist auch das Bild mit der kürzesten Belichtungszeit fast weiß.

Weitere Versuche sollen in freier Natur mit ausgewählten Motiven erfolgen unter Zugrundelegung meiner Erfahrungen mit dem zweiten Film, wenn die Grippe mich nicht mehr ans Bett fesselt und draußen die Zeit der Sonnentaler ein kleines Stück näher gerückt ist.

Anmerkungen:
1) Bilder im Beitrag zur besseren Ansicht anklicken
2) Sonnentaler sind Minaturabbildungen der Sonne auf dem Erdboden unter belaubten Baumkronen. Dabei wirkt das gleiche Prinzip, was wir uns bei der Lochkamera zu Nutze machen. Winzige Löcher im Laubwerk bündeln bei entsprechendem Sonnenstand und Sonnenwetter die Sonnenstrahlen.

2 Kommentare:

:Ludwig hat gesagt…

Wirklich spannend beschrieben, wie du die Lockkamera bautest, ausprobiertest - Lichtfänger wirkt da als Wort geradezu poetisch. Die Bastelanleitung - hast du die auch eingestellt?

sumpffuss hat gesagt…

Den Link zur Bastelanleitung habe ich im ersten Teil des Textes untergebracht. Hier nochmal:
http://kwerfeldein.de/2012/04/28/morgen-weltweiter-tag-der-lochkamera-fotografie/
Er führt auf die Webseite kwerfeldein.de zu einem Artikel von Aileen Wesley, einfach scrollen und dort steht dann in aller Ausführlichkeit mit Bildern, wie sie eine Streichholzschachtel-Lochkamera gebaut hat. Ich habe mich an diese Bastelanleitung weitestgehend gehalten, habe aber den Klicker weggelassen (der hängt sich in die Perforation am Filmrand und klickt beim Spulen - 9 Klicks = 1 Bild weiter), habe nur schwarzes Klebeband benutzt und nicht zusätzlich eine schwarze Plastetüte, habe meine Schachtel mit schwarzem Tonkarton aus gekleidet und umkleidet, werde sie für kommende Bilder an einem schweren Stativ befestigen). Vielen, vielen Dank fürs Kommentieren!