Mittwoch, 4. Februar 2009

Emanzipation im Kinderbuch

Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form von Musikerinnen verwendet. Gemeint sind dabei immer beide Geschlechter.

Das Kinderbuch von Jens Rassmus kommt ohne eine solche Anmerkung aus. Dort gibt es Musikerinnen und Musiker. Beides eben, wie Madame Coco mit dem aufblasbaren Piano erinnert. Eine nach dem anderen fällt auf den Mond. Jens Rassmus vergisst keines der beiden Geschlechter. In Wort und Bild sind sie da. Riesengroß und kleiner als ein Kaninchen; mit tellerrunden Ohren, mit spitzen Ohren; umfangreich oder schmal, außerirdisch anzusehen oder tierisch menschlich; alles ist vertreten; Frau und Mann. Den meisten sehe ich ihr Geschlecht an. Vielleicht ist solche Zuschreibung nicht in Ordnung. Aber ich kenne mich. Wenn der Monddrache mit den Lockenwicklern im Haar, für den das Buch keine weibliche Form aufzubieten vermag, mich heute Nacht korrigieren würde, er sei ein Mann, keine Frau, dann würde ich es mit einem Achselzucken aufnehmen. Allerdings müsste ich den nächlichen Besuch erst mal sacken lassen. Keine stellt sich einem Drachen so mutig gegenüber wie Anna.
Frauenemanzipation als kleines Seitenthema scheint mir bemerkenswert in einem Kinderbuch. Was mich aber als Kind von Eltern mehr noch anspricht und das Lesen so befreiend macht, ist die Emanzipation des Kindes.

Anna leistet Widerstand.

Was anderes als Widerstand ist es, wenn Anna sich auf den Kopf stellt. Querstellen. Befehlsverweigerung. Annas Mutter hatte der Tochter befohlen, ins Bett zu gehen. Es ist nur all zu üblich, Kinder ins Bett zu schicken, auch wenn sie kein bisschen müde sind.
Wer meint, ich interpretiere Annas Kopfstand zu frei und es bleibe offen, wo sich Jens Rassmus mit seiner Meinung zum Thema Erziehen befindet, dem gebe ich Recht. Nur zwei Dinge sind klar: Der Autor setzt Annas Eltern in ein denkbar schlechtes Licht, und das mit Worten und Bildern. Und zweifellos verbringt Anna eine aufregendere Nacht auf dem Mond als ihre Eltern beim Zappen vorm Fernseher. Sie wird von den Musikerinnen und Musikern des Vollmondorchesters für voll genommen. Die laden sie zum Mitmachen ein, auch wenn Anna kein Instrument spielt. Und auf dem Höhepunkt der Geschichte stellt es sich als Glück heraus, dass Anna mit von der Partie ist.

Das Buch dieser Buchbesprechung:
Jens Rassmus (1999) Das Vollmondorchester. Aarau, Frankfurt am Main und Salzburg.

Abbildung bei bibliothek der provinz

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Ruth,
ich freue mich, wenn Du auch meinen Blog besuchst: www.kindersehen.wordpress.com
Ich habe ihn gerade eröffnet und vielleicht können wir uns austauschen.

Lieben Gruß
Sina

sumpffuss hat gesagt…

Liebe Sina,

dein Blog "kindersehen" und meiner hier sind ja thematisch verwandt. Das war mir bereits aufgefallen. Deshalb lese ich dort, seit er/es (das oder der Blog?) da ist. Hab mir auch Gedanken gemacht zu kommentieren, denn eine Meinung hab ich schon zu dem, was du schreibst. Mir fällt es bloß schwer, das zu Papier zu bringen, zumal ich sehr oft beim Denken-und-Aufschreiben unterbrochen werde. Ich versuch es aber und lese jedes Wort.

Viele Grüße und danke für deine lieben Grüße

Ruth