Samstag, 16. März 2013

Selbstportrait

An Tagen,
wo ich kein besonderes Ansehen habe,
sehe ich mich
von unten durch die Nasenlöcher.
Ich fühle und sehe von innen meine Gestalt.

Das Stativ wird aufgebaut. Steht es am rechten Ort,
setze ich mich gut ins Licht,
(mit Selbstauslöser!)
erhalte ich ein Foto von mir,
das sich auf einem Flyer oder einer Visitenkarte
sehen lassen kann.

Dass ich mich nicht kenne,
merke ich ...
Wer ist das, auf dem Bild?
An wen erinnert sie mich
von der Seite?
Sehe ich mir ähnlich?

Wie gut ich mich erkenne!
Will ich, dass Andere mich sehen?

An Tagen, wo ich kein besonderes Ansehen habe,
verstecke ich mich
unter einer Mütze und
in meinen anderen Sachen, so
dass ich nur noch aussehe wie irgendwer.
Ich bin Statist in meinem Leben.

Um ein Bild von mir
entstehen zu lassen,
ziehe ich mich
ganz zurück.

Die Schnecke zieht sich in ihr Haus und sieht sich darin um. Es ist ein Haus ohne Spiegel. Was sie sehen und erfahren will, muss sie sich selbst erzählen.

Sie sagt sich also, "Ich habe keine Braue und keinen Bart - bin ich deshalb eine Nacktschnecke?"

"Es spielt keine Rolle, ob du Haare hast oder nicht.", antwortet sich die Schnecke selbst. Gleich darauf wühlt sie in ihrem Kleiderschrank.***

Bin ich gut, bin ich schlecht?
Heute
suche ich mir Dinge, die
mit auf 's Bild müssen, hinter denen
ich mich verstecken kann.
Morgen
stelle ich mich
auf 's freie, verschneite Feld, wo
ich der einzige dunkle Punkt bin.

Es wird nicht leicht, mit mir allein zu sein.

Das wird mein Lieblingsselbstbild im Monat März.
Ich kreiere mich selbst und bin
einmal im Leben
mehr als 2m groß.

Meinen einbeinigen Freund
fasse ich liebevoll an der Hand.
Er liebt mich wieder!
So wie uns
gibt es viele Paare
in der Abendsonne
in Berlin.



*** Textstelle aus Die Nacktschnecke im Reihenhaus


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